Die Würde des Menschen verteidigen
So wie Jesus im Evangelium den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht das Gesetz, so stellt auch das Grundgesetz nicht das Gesetz über die Menschenwürde. Daran hat Karin Kortmann, stellvertretende Vorsitzende des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK), am Sonntag, 24. März, erinnert. „Die Würde des Menschen muss geschützt werden vor den Abgründen, zu denen der Mensch fähig ist. Sie muss von Staats wegen geschützt werden“, forderte Kortmann bei den Fastenpredigten im Limburger Dom. Das Thema ihrer Predigt lautete „Grundgesetz und Evangelium“. Domkapitular Georg Franz feierte die Liturgie.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich
Noch unter den Eindrücken des nationalsozialistischen Terrorregimes sei 1949 ein Ordnungsrahmen beschlossen worden, der heute das Zusammenleben von 83 Millionen Menschen in Deutschland regle und jedem Menschen die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit garantieren wolle. Zentral sei hier Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Würde des Menschen, den Menschen selbst, zum Mittelpunkt allen politischen Handelns mache. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Alle auch, die es unter den Nationalsozialisten nicht sein durften. Die Juden, die Sinti und Roma, die Menschen mit Behinderung, die Homosexuellen, Menschen, die Widerstand leisteten, die Fremden“, sagte Kortmann. Diese Gleichheit sei aber nicht selbstverständlich, sondern müsse immer wieder neu erstritten und geregelt werden. Nationale, populistische und zunehmend egoistische Rhetorik veränderten das gesellschaftliche Klima: „Neid und Missgunst, die Angst vor der Fremde und die Sorge teilen oder abgeben zu müssen haben unser Land verändert“, betont die ehemalige SPD-Bundestagesabgeordnete. „Der Eindruck, dass das Ich wieder groß und das Wir wieder kleiner geschrieben wird, verfestigt sich, wenn wir uns die Entwicklungen in manchen europäischen Mitgliedsstaaten oder Ländern auf anderen Kontinenten anschauen. America First ist dafür ein trauriges Beispiel.“
Jesus Vorbild ist wegweisend
Kortmann rief dazu auf, Menschenwürde und Gerechtigkeit zu verteidigen. „Wo sind unsere Wächter, die die Messlatte der Menschenwürde und Gerechtigkeit hochhalten“, fragte sie. Im biblischen Evangelium von der Heilung eines Mannes am Sabbath stelle Jesus den Menschen in die Mitte seines Urteilens und Handelns und spreche damit den gesetzestreuen Pharisäer ihre Autorität ab. Dieses Handeln Jesu sei heute wegweisend für viele Christen, die sich im Bereich der Kirche engagierten. Jesus ermutige, die Hand denen zu reichen, die der Hilfe bedürfen. Er ermutige aber auch dazu, nach der ausgestreckten Hand zu greifen, um sich selbst aufhelfen zu lassen. Kortmann berichtete von Erlebnissen mit der geistlichen Gemeinschaft St. Egidio, die in Kirchen Roms Obdachlosen im Winter ein Bett, Essen und Zuwendung schenke.
Willi Brandt, Angela Merkel und Franz Kamphaus
In ihrer Predigt erinnerte sie außerdem an drei Begebenheiten, in denen der Mensch das Menschliche in den Mittelpunkt gestellt habe. Mit seinem Kniefall vor dem Mahnmal im ehemaligen Warschauer Ghetto habe der ehemalige Bundeskanzler und spätere Friedensnobelpreisträger Willi Brandt am 7. Dezember 1970 ein Zeichen der Demut und der Scham angesichts von sechs Millionen ermordeten jüdischer Männer, Frauen und Kinder gegeben. „Er gab ihnen damit die Würde zurück und reichte die Hand mit der Bitte um neues Vertrauen.“ Kortmann erinnerte aber auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die 2015 Grenzen für flüchtende Menschen offenließ und Schutzräume für Menschen zur Verfügung stellte. „Da ging es nicht darum, die staatliche Sicherheit als erstes zu schützen, sondern Menschen aufzunehmen, die alles zurücklassen mussten, um woanders auf eine helfende Hand zu hoffen.“ Schließlich erinnerte sie auch an Bischof em. Franz Kamphaus, der für den Verbleib der katholischen Kirche in der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung kämpfte und gemaßregelt aus Rom zurückkehrte. „Er reichte den Frauen in Konfliktsituationen die Hand und ließ sie in ihrer Unsicherheit nicht alleine.“
Pater Alexander Holzbach SAC schließt Fastenpredigten am 4. Fastensonntag ab
Die Fastenpredigten im Limburger Dom stehen unter dem Titel „Wofür Christen sich einsetzen: Pro und Kontra“. Am vierten Fastensonntag, 31. März 2019, 17 Uhr, predigt Pallottinerpater Alexander Holzbach zum Thema „Damit Leben blüht, nicht verkümmert. Schwester M. Katharina Kasper und Pater Richard Henkes“. Domkapitular Gereon Rehberg feiert die Liturgie.